Pandemiemanagement

Nach der Pandemie ist vor der Pandemie

Es müssen sinnvolle Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vorgehalten werden. Es sollen ausreichend Testkapazitäten geschaffen werden und Produktionsstätten für Impfstoffe vorgehalten werden. Die Kapazitäten sollen mindestens für alle Menschen in Deutschland ausreichen. Zusätzlich muss immer ausreichend Schutzausrüstung für medizinisches Personal und sonstige pflegerische Tätigkeiten eingelagert sein. Ausreichend medizinische Masken müssen ebenfalls in ausreichender Menge vorhanden sein, um bei einer neuen Pandemie alle Menschen in Deutschland, die eine Maske tragen können, damit umgehend zu versorgen. In diesem Fall sollten die Menschen in Deutschland mindestens 30 medizinische Masken pro Monat kostenlos über die Krankenkasse erhalten.

Gesundheitsschützende Ausgangsbeschränkungen

Die Piraten lehnen die Einschränkung der Freiheitsrechte in Deutschland grundsätzlich ab. Allerdings kann es zum Schutz von Leib und Leben Ausnahmen geben. Diese sind klar zu begründen und unterliegen einer strikten Rechtsgüterabwägung.

Die ausufernden, halbherzigen und unzureichend begründeten Ausgangsbeschränkungen, wie sie während der Corona-Pandemie erlassen wurden, lehnen wir in weiten Teilen ab. Ausgangsbeschränkungen sollten nur als letztes Mittel eingesetzt werden, um die Ausbreitung einer Pandemie einzudämmen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Optionen welche VOR einer Ausgangsbeschränkung angewandt werden sollten, wären z.B. einheitliche Quarantäne- und Test-Regeln, FFP2-Maskenpflicht am Arbeitsplatz, die Verpflichtung zu Homeoffice*, Infektionsschutzmaßnahmen in Schulen und Kitas, technische und personelle Aufstockung der Gesundheitsämter. (*Arbeitgeber müssten wöchentlich pro Mitarbeiter begründen, warum diese NICHT im Homeoffice sind)

Hierzu muss erst eine Analyse vorliegen, auf welchen Wegen, zu welcher Tageszeit und an welchen Orten ein erhöhtes Risiko besteht, dass eine als Pandemie eingestufte Infektionslage nur mit den Mitteln einer Ausgangsbeschränkung bekämpft werden kann. Eine solche massive Einschränkung darf nur verhängt und aufrecht erhalten bleiben, wenn sie in einem messbaren Rahmen erhebliche Wirkung zeigt und daher angemessen ist.

In dringenden Notfällen, wie beispielsweise bei Chemieunfällen, müssen Ausgangsbeschränkungen außerdem so formuliert sein, dass sie rechtssicher zu erkennen sind und Härtefälle vermieden werden.

Sichere Bildung während einer Pandemielage

Die Gewährleistung sicherer Bildung hat durch die Corona-Pandemie noch immer nicht den notwendigen Stellenwert erhalten. Für dauerhaften Infektionsschutz ist in Schulen und Kitas immer noch zu wenig passiert, um die mögliche Infektionsweitergabe auch für künftige Gesundheitsgefahren zu minimieren.

Technische Maßnahmen sind organisatorischen Maßnahmen immer vorzuziehen. Dies ist das TOP-Prinzip im Arbeitsschutz, das hier analog anzuwenden ist. Dennoch wird vielerorts einzig auf händisches – und wegen häufig fehlender Querluftmöglichkeit unzureichendes – Lüften abgestellt, anstatt umfassend effektive Luftreiniger mit HEPA-Filtern (mind. Stufe 13) bereitzustellen. Diese können auch in Altbauten eingesetzt werden, bei denen die Nachrüstung stationärer Raumlufttechnik nicht oder nur sehr aufwändig möglich ist.

Aus Sicht der PIRATEN sind für sichere Bildung daher folgende Schritte notwendig:

  • Wechsel- und Distanzunterricht sollten grundsätzlich bei hohem Infektionsgeschehen angeboten werden, dürfen aber kein Ersatz für Infektionsschutz in den Einrichtungen sein.
  • In allen gemeinschaftlich genutzten Räumen muss ein technisch unterstütztes Aerosol-Management erfolgen. In zum Unterricht genutzten Räumen müssen Luftfilter mindestens nach dem HEPA13-Standard eingesetzt werden. Dort, wo keine Luftfilter mindestens nach dem HEPA13-Standard vorliegen, muss ergänzend eine CO2-Ampel eingesetzt werden.
  • Die Präsenzpflicht muss während Phasen mit hoher Ansteckung und nach deren Abklingen für vulnerable Kinder ausgesetzt bleiben.
  • Engmaschiges, PCR-basiertes Testen in allen Schulklassen und Kita-Gruppen, idealerweise auf Basis von kindgerechten «Lolli-Tests», sollte herangezogen werden, um Ansteckungscluster frühzeitig aufzuspüren. Der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen bei nachweislicher Ansteckung mit einem pandemischen Erreger ist grundsätzlich auszuschließen.
  • Grundlage für Inzidenz-gestützte Maßnahmen in Schulen und Kitas sollte vor allem die 7-Tages-Inzidenz der Altersgruppe unter 20 sein.

Digitales Unterrichtsangebot statt Präsenzpflicht

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Online-Unterricht und Präsenzunterricht gleichwertige Formen sind, sofern gleiche Voraussetzungen hinsichtlich der Teilnahmemöglichkeit bestehen. Deshalb setzen wir uns für die Umwandlung der Präsenzpflicht in ein digitales Unterrichtsangebot ein, sofern äußere Umstände es rechtfertigen, dass digitaler Unterricht weniger gesundheitsgefährdend ist, als Präsenzunterricht. Dies zu gewährleisten ist landesseitig sicherzustellen, dass Schulen, Lehrende und Lernende mit für den Unterricht ausreichenden Netzkapazitäten, Hard- und Software ausgestattet sind.

Wiederaufnahme der Eigenproduktion von Medikamenten durch den Bund

Nach dem Ende des Kalten Krieges ging man davon aus, eine ständige Marktverfügbarkeit notwendiger Medikamente zu haben und günstiger auf dem zivilen Weltmarkt einkaufen zu können. Die Eigenproduktion von Medikamenten durch die Streitkräfte wurde daher weitgehend eingestellt. In Zeiten der Corona-Pandemie zeigt sich aber schmerzlich der Mangel bestimmter Arzneien und Schutzmittel. In der globalen Krise steht man bei ihrer Beschaffung in Konkurrenz mit der ganzen Welt. Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass die Eigenproduktion von Basismedikamenten durch den Bund zeitnah wieder aufgenommen wird. Vorzugsweise sollte hierzu der Sanitätsdienst der Bundeswehr beauftragt werden, dies umzusetzen und damit die Versorgung der Streitkräfte, aber insbesondere auch die der Bevölkerung im Katastrophenfall sicherzustellen. Über die so zu schaffende Infrastruktur sollen auch Medikamente produziert und so (wieder) verfügbar gemacht werden, die aufgrund dauerhafter Nichtverfügbarkeit von Medikamenten (z.B. Antibiotika, Zytostatika, Analgetika) gemäß der Übersicht «Lieferengpässe für Humanarzneimittel» nicht in ausreichender Menge über die normale pharmazeutische Infrastruktur erhältlich sind.

Diagnostische Anerkennung bei ME/CFS

Wir wollen, dass die bestehende Diagnostik von ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) nach den „Kanadischen Konsens Kriterien“ anerkannt wird. Hausärzt:innen sollen die Diagnose stellen, wenn die Kriterien erfüllt werden und die bekannten Ausschlüsse abgeklärt wurden. Diese Diagnose und die Schwere nach „Bell-Skala“ soll auch von sozialen Einrichtungen und den Versorgungsämtern anerkannt werden.
Die Diagnostik soll weiter klarifiziert fortgeführt und gesichert werden. Kontraproduktive Therapien und Rehabilitationsmaßnahmen sollen nicht verpflichtend sein und je nach Krankheitszustand angepasst werden. Ärzt:innen sollen vermehrt Fortbildungen für diese Erkrankung angeboten werden. Patient:innenvereinigungen wie Fatigatio e.V. sollen zusätzlich gefördert und ihre Expertise beachtet werden.

Forschung fördern bei seltenen und/oder schwerwiegenden Erkrankungen

Wir setzen uns dafür ein, dass die finanziellen Mittel für die Erforschung von Ursprung, Entstehung, Diagnostik und Therapie/Medikation und ihrer Wirkungsweise bei seltenen und/oder schwerwiegenden Erkrankungen drastisch erhöht werden.
Nicht ausschließliche Krankheitsliste hierzu: ME/CFS, Long-Covid, PostVirale Erkrankungen/Long Haulers, Rheumatische Erkrankungen, Mitochondriopathien, Fibromyalgie, chronische Borreliose und andere chronische Erkrankungen mit Langzeitfolgen, insbesondere auch im neurologischen Spektrum.

(aus dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021, dem Wahlprogramm der Piratenpartei NRW, aus dem Wahlprogramm der Piratenpartei NDS und dem Wahlprogramm der Piratenpartei SH)