Drogen und Sucht

Vorbemerkung

Der “Krieg gegen Drogen” ist gescheitert. Die Prohibition bindet Ressourcen und verursacht immense Kosten. Kriminalisierung schadet oft marginalisierten Menschen und drängt sie an den Rand der Gesellschaft, anstatt Substanzgebrauch ausserhalb eines Schwarzmarktes zu regulieren.

Die Legalisierung von Cannabis, eine Entkriminalisierung aller psychoaktiven Substanzen sowie eine Aufkündigung der UN-Drogenkonventionen sind die ersten Schritte zu einer “Neuen Drogenpolitik» in ganz Deutschland und Europa.

Neustart: Drogen- und Suchtpolitik

Die Piraten streben die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Gruppen an, die sich vorurteilsfrei mit dem Konsum von psychotropen Substanzen und dessen Folgen auseinandersetzen. Gemeinsam werden wir eine Politik betreiben, die riskantem Drogengebrauch durch Prävention entgegenwirkt, sowie Risiko-Konsumenten und Schwerstabhängigen durch Therapieangebote hilft. Der Gesetzgeber darf nur dort eingreifen, wo die Schutzrechte anderer berührt sind. Er soll einen effizienten Jugend- und Verbraucherschutz sicherstellen und den Schwarzmarkt und das organisierte Verbrechen eindämmen.

Diese Ziele können nur durch eine Legalisierung und eine kontrollierte Abgabe aller psychotropen Substanzen erreicht werden.

Mündigkeit braucht Bildung – Prävention ist die Grundlage

Das Ziel unserer Drogen- und Suchtpolitik ist eine selbstverantwortliche und sozialverträgliche Genusskultur. Wir wollen Menschen aller Altersgruppen zu einem achtsamen Umgang mit psychotropen Substanzen und einem selbstbestimmten Konsum befähigen. Um Wirkungen und mögliche Gefahren besser einschätzen zu können, bedarf es einer kompetenten Aufklärung, die so früh wie möglich beginnen soll. Sie muss auch die Fähigkeit vermitteln, mit den unterschiedlichen, gebräuchlichen Drogen umzugehen. Wir glauben, dass die Stärkung von sozialer Kompetenz und Selbstbewusstsein eine wichtige Grundlage für wirksame Prävention ist.

Nachhaltige Prävention fängt in der Schule an

Die Maßnahmen zur Suchtprävention an Schulen und der Ausbildungsstand der Lehrkräfte sind unzureichend. Pilotprojekte haben gezeigt, wie nachhaltig eine gute Prävention bereits ab dem Grundschulalter wirkt. Auf der Basis der dort gesammelten Erfahrungen ist ein bundesweites Aufklärungskonzept und sachgerechtes, undogmatisches Lehrmaterial für einen fundierten Unterricht zu entwickeln. Externe Fachreferenten sollen besonders in der Sekundarstufe das Wissen bei Lehrern und Schülern vertiefen. Vorurteile können so durch Wissen überwunden und die gewonnenen Erkenntnisse durch die Schüler in ihr soziales Umfeld getragen werden.

Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die umfassende Aufklärung über Drogen, ihren Gebrauch und mögliche Folgen darf sich nicht auf die Schule beschränken, sondern muss sich an die ganze Gesellschaft richten. Ärzte, Krankenhäuser, Bürgerämter, Sozialdienststellen, Jugendzentren und ähnliche Einrichtungen sollen geeignete Informationsmaterialen bereithalten und Ansprechmöglichkeiten bieten. Präventionsprogramme sind zielgruppengerecht zu gestalten. Der Einsatz von Streetwork und Sozialarbeit, vor allem in bisher unterversorgten Kleinstädten und ländlichen Gebieten, unter besonderer Berücksichtigung des Suchtstoffes Alkohol, ist auszubauen. Die Mittel für niedrigschwellige Hilfsangebote in der Suchthilfe sowohl bei stofflichen als auch bei nicht stoffgebundenen Süchten sind deutlich aufzustocken.

Verbraucherschutz – auch für Drogenkonsumenten

Wie alle Genussmittel unterliegen auch die psychotropen Substanzen dem Verbraucherschutz und müssen nach der Legalisierung einer regelmäßigen Qualitätskontrolle unterzogen werden.

Das Wissen um Wirkstoff und Beimengungen ist Grundlage risikoarmen Drogengebrauchs. Umfassende, bedarfsgerechte Möglichkeiten zum Drugchecking sollen schon jetzt vor Ort ermöglicht werden. Die Piraten fordern die Einrichtung einer bundesweiten Online-Meldestelle für problematische Substanzen zur Risiko- und Schadensminimierung für Drogenkonsumenten. Diese Meldestelle soll schädliche Streckmittel, ungewöhnlich hohe Dosierungen, Reinheitsgrade sowie den Verkauf von Substanzen unter falschem Namen veröffentlichen. Als ersten Schritt sollen die Resultate kriminaltechnischer Untersuchungen von beschlagnahmten Drogen für alle verfügbar gemacht werden.

Konsumbegleitende Programme und Hilfsangebote bei problematischem Konsum müssen ausgeweitet werden. Therapiemöglichkeiten sind so früh wie möglich anzubieten, nicht erst bei bestehender Abhängigkeit oder bei bereits eingetretenen Folgeerkrankungen. Sie dürfen nicht ausschließlich auf Abstinenz ausgerichtet sein. Wir fordern ein bundesweites Angebot von Drogenkonsumräumen als weiteres wichtiges Element der Schadensverhütung und -minderung. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen muss auch gegenüber der Justiz und anderen Behörden gewahrt bleiben.

Das vom Alkohol und vom Tabak ausgehende Sucht- und Schadenspotential wird im gesellschaftlichen Alltag nur unzureichend wahrgenommen. Dem sollte durch verstärkte Einbeziehung des Alkohols und des Tabaks in die allgemeine Drogenaufklärung und Suchtprävention entgegengewirkt werden. Bei allen zum Verzehr geeigneten, alkoholhaltigen Produkten ist deutlich lesbar und gut sichtbar auf der Vorderseite der Verpackung anzugeben, wieviel Alkohol das Produkt enthält. Jeder enthaltene Alkohol muss angegeben werden. Vorhandene Lücken in der Deklarationspflicht sind zu schließen. Bei alkoholischen und alkoholhaltigen Getränken muss deutlich sichtbar auf das Suchtpotential hingewiesen werden. In der Gastronomie sollen mehrere alkoholfreie Getränke angeboten werden, die günstiger sind, als das preiswerteste alkoholische Getränk.

Substitution

Wir fordern, dass die Substitutionsbehandlung als psychosozial unterstützte medizinische Behandlung von Opioidabhängigkeit die Berücksichtigung folgender ethischer Prinzipien erfüllt: Der Zugang zur Behandlung und Betreuung muss für alle Betroffenen gleichberechtigt sein. Die Behandlung und Betreuung muss dem jeweiligen Hilfebedarf im Einzelfall entsprechen. Die Betroffenen müssen vollständig über die Behandlung und Betreuung (Möglichkeiten, Verlauf, Regeln) informiert sein. Das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen muss auch hier gewahrt werden. Die Piraten fordern die Kostenübernahme durch Krankenkassen für Behandlungen, die nicht nur das Abstinenzprinzip umsetzen. Für Diamorphinbehandlungen werden dringend mehr Vergabestellen benötigt. Die Umsetzung von Diamorphin-Programmen muss erleichtert werden, damit mehr Betroffene Zugang erhalten, auch solche mit weniger schädlichen Konsummustern. Bei der Durchführung gilt es, neben Injektion auch Inhalation und orale Einnahme zuzulassen und eine intensive psychosoziale Betreuung für die Teilnehmer bereitzustellen. Gegebenfalls ist in weitergehende Therapieangebote überzuleiten. Neben den Ärzten sind auch medizinisches Personal, Therapeuten und Mitarbeiter der sozialen Dienste zur fachbezogenen Weiterbildung zu verpflichten.

Nicht stofflich gebundene Süchte

Wir fordern eine Verbesserung und einem Ausbau der ambulanten und stationären Therapieplätze im Bereich Psychiatrie / psychologische Psychotherapie für nicht stoffgebundenen Süchte ( z.B. Glücksspiel) sowie die Anerkennung dieser Krankheiten.

Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern

Cannabinoidhaltige Medikamente sollen von niedergelassene Ärzt*innen hürdenlos verschrieben werden können und den verkehrsfähigen Medikamenten gleich gestellt sein. Die Kosten sind uneingeschränkt von den Krankenkassen zu tragen.

Informationelle Selbstbestimmung stärken

Die informationelle Selbstbestimmung ist auch im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik zu gewährleisten: Auf Drogenkonsum bezogene Daten aus ergebnislos gebliebenen polizeilichen Ermittlungen müssen umgehend wieder gelöscht werden. Register über Drogenkonsum dürfen nicht geführt werden. Allgemeine und verdachtsunabhängige Drogentests am Arbeitsplatz lehnen wir ab. Sie sind auf gefährliche Berufe und Tätigkeiten zu begrenzen.

Entkriminalisierung der Konsumenten

Der private Umgang mit psychotropen Substanzen soll vollständig entkriminalisiert werden. Besitz, Anbau und Herstellung für den Eigenbedarf dürfen nicht bestraft werden.

Herstellung, Anbau und Handel

Perspektivisch soll es möglich sein, derzeit illegale psychotrope Substanzen kontrolliert sowohl für den Eigenbedarf bzw. in der Gemeinschaft, als auch gewerblich legal anzubauen, herzustellen und damit zu handeln. Die Produkte sollen durch Steuern und Abgaben nicht so verteuert werden, dass unser Ziel, den Schwarzmarkt einzudämmen, gefährdet wird.

Lizenzierte Fachabgabestellen

Wir fordern lizenzierte Fachabgabestellen (Fachgeschäfte und andere ggf. staatliche Abgabestellen) mit Zutrittsverbot für Jugendliche für den Verkauf von Tabak, Liquids und e-Zigaretten, Alkohol und oder anderen psychotropen Substanzen. Qualifiziertes Personal soll dort auch Beratung zu verantwortungsvollem Gebrauch und möglichen Gefährdungspotentialen anbieten können.

Keine Einschränkungen für E-Zigaretten

Der freie Handel und Gebrauch liquidverdampfender E-Zigaretten und Tabakverdampfer soll nicht über den Jugendschutz hinaus eingeschränkt werden. Aus Gründen des Umweltschutzes fordern wir ein Verbot der Einweg-E-Zigaretten.

Werbeverbot

Die einseitig positive Darstellung von suchterzeugenden Substanzen zu vermeiden, ist ein wesentlicher Aspekt von Prävention. Wir fordern daher ein ausnahmsloses Werbe- und Sponsoringverbot für Produkte, die psychotrope Substanzen in einer Konzentration enthalten, die geeignet ist, Abhängigkeiten zu erzeugen. Öffentliche Tabak- und Alkoholwerbung ist unvereinbar mit diesen Zielen. Ebenso lehnen wir Werbung für Glücksspiel ab.

Keine Willkür beim Führerscheinentzug

Eine Gefährdung des Straßenverkehrs unter Einfluss von Rauschmitteln kann nicht geduldet werden. Als Kriterium für den Entzug der Fahrerlaubnis müssen wissenschaftlich gesicherte Grenzwerte für Wirkstoffkonzentrationen festgelegt werden, die eine akute Fahruntüchtigkeit nachvollziehbar definieren. Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Konsum und dem Führen des Kraftfahrzeuges vorliegen. Allein die Vermutung oder die Feststellung, dass eine Person Drogen oder Medikamente konsumiert oder konsumiert hat, lässt keine Rückschlüsse auf die aktuelle Fahruntüchtigkeit zu und rechtfertigt keinen vorbeugenden Entzug der Fahrerlaubnis.

Amnestie und Rückgabe der Fahrerlaubnisse

Betroffene die wegen Verstößen gegen das BTMG aufgrund konsumnaher Delikte verurteilt worden sind, sollen durch ein entsprechendes Gesetz amnestiert werden. Außerdem fordern wir die Rückgabe aller Fahrerlaubnisse, die nicht aufgrund festgestellter Fahruntüchtigkeit eingezogen wurden.