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Von Davos lernen: PIRATEN fordern Schutzmaßnahmen

Von Davos lernen: PIRATEN fordern Schutzmaßnahmen

Während sich beim Weltwirtschaftsforum in Davos die Reichen und Mächtigen dieser Welt durch umfassende Infektionsschutzmaßnahmen wie PCR-Tests vor Teilnahme, flächendeckende Schnelltests sowie UVC- und HEPA-14-Luftreiniger vor Ansteckungen schützten [1], fallen in den Bundesländern die letzten Regeln. Zuletzt kündigte die Landesregierung Nordrhein-Westfalens (NRW) an, die Isolationspflicht abzuschaffen. Auf Bundesebene wird es eine Verlängerung des § 28b Infektionsschutzgesetz (IfSG) mit seinem vor allem auf dem Papier stehenden Minimalschutz exklusiv für vulnerable Gruppen über den 07.04.2023 hinaus offenbar nicht geben. Der Bundesgesundheitsminister twittert derweil alarmistisch, kann (oder will) aber im Kabinett keine Schutzmaßnahmen durchsetzen. Die nächste Welle – die mittlerweile Neunte! – kündigt sich bereits an.

„Niederschwellige Infektionsschutzmaßnahmen müssen unbedingt weitergeführt werden. Denn das Virus ist nicht plötzlich kaum mehr ansteckend geworden, und die Ansteckungszahlen steigen trotz der immer weniger üblich werdenden Tests wieder an. [2] Die Zahl der Todesfälle ist auf anhaltend hohem Niveau, was auch viel besser zu den Daten aus dem Abwassermonitoring passt als zu den Behauptungen, die Pandemie sei vorbei. [3] Die Abschaffung der Isolation ausgerechnet mitten in der heftigsten Erkältungswelle der letzten Jahrzehnte kommt zur Unzeit. Laut Professor Drosten könnten wir bezogen auf Covid-19 im Frühjahr den Übergang in die endemische Phase erreicht haben, aber die Übergangsphase wird quälend lange dauern. [4] Und was bedeutet überhaupt Endemie? Malaria ist in Afrika endemisch. Die Folge ist keineswegs, dass man dort jetzt alle Moskitonetze abhängt; man hängt stattdessen überall welche auf. Der Schutz muss bleiben,“

erklärt Sandra Leurs, Themenbeauftragte Gesundheit und Pflege der Piratenpartei Deutschland.

„Als erstes erhöht der Wegfall aller Schutzmaßnahmen natürlich für alle das Risiko, sich anzustecken. Für uns Menschen mit Behinderung und damit auch oft verbundenen schweren Grunderkrankungen bedeutet eine Infektion mit Corona zudem immer auch ein hohes Risiko für schwere Verläufe. Der zweite Aspekt ist ganz klar, dass sich Menschen mit Behinderung (und eben Vorerkrankungen) jetzt noch mehr überlegen müssen, ob sie an Aktivitäten in der Gesellschaft teilhaben wollen – oder eben nicht. Da aufgrund des erhöhten Risikos oft „Safety first“ gelten muss, schließt diese Politik viele Menschen von der grundrechtlich garantierten Teilhabe aus. Und schließlich bedeutet der Wegfall der Schutzmaßnahmen auch wieder vermehrte Ausfälle bei Pflegepersonal und Assistenzkräften, auf die viele Menschen mit Behinderung alltäglich angewiesen sind. Womit wir wieder beim #PflegtEuchdochselbst wären,”

konstatiert Antonia-M. Hörster, Bundesthemenbeauftragte Inklusion.

“Somit ist es nicht nur kurzsichtig, sondern auch unverantwortlich, dass schon zum 02.02. die Maskenpflicht im Fernverkehr fallen soll. [5] Einmal mehr beweist die Bundesregierung – Bundesminister Lauterbach sogar wider besseren Wissens [6] -, dass sie keinerlei Interesse an der Gesundheit der Menschen hat, für die sie verantwortlich ist. Obwohl §1 IfSG mit Eigenverantwortung gerade die Übernahme von Verantwortung für den Infektionsschutz verlangt, fordert die derzeitige Begriffsverwendung geradezu dazu auf, die eigene Verantwortung wegzuschieben. Dies ist wieder einmal typisch für eine Politik, die mehr auf Stimmung als auf Wissenschaft hört. Wohin das schon jetzt führt, sieht man daran, dass im ÖPNV trotz existenter Pflicht immer weniger Menschen einen Mund-Nasen-Schutz tragen und überall gehustet und geniest wird,”

kritisiert Thomas Ganskow, Vorsitzender der PIRATEN SV Hannover.

„Dass Länder wie NRW infizierten Kindern ausdrücklich nahelegen, in die Schule zu gehen, und nicht einmal für diese nachweislich ansteckende Personengruppe eine Maskenpflicht verhängen, wird für weitere Ansteckungen sorgen. Aussagen wie ‚Kranke Kinder gehören nicht in die Schule‘ [7] sind bloße Schutzbehauptungen, denn man zwingt sie ja durch Präsenzpflicht und gefallene Isolation gerade dazu, ihre Keime in die Klassenräume zu schleppen. Und dies bei den nachgewiesenen langfristigen Schädigungen durch überstandene Covid-19-Infektionen an den Körpern der Kinder, auch bei den vermeintlich gesundeten. [8] Ohne Pflicht hält sich kaum jemand an die wachsweichen Empfehlungen, wohl auch aus Angst vor den vielerorts üblich gewordenen Anfeindungen.

All dies geschieht bei anhaltend hoher Übersterblichkeit, bei der allein in der Woche vor Weihnachten 2022 7.000 zusätzliche Todesfälle zu beklagen waren. [9] Dies wird aktuell jedoch nicht mehr durch schwere Akutverläufe verursacht, es sind tödliche Folgen oft Monate nach der Infektion. [10] Folgen, die man von SARS und MERS kennt, den beiden ‚Cousins‘ von SARS-CoV-2. Auch ein hoher Anteil an durch diese Infektionen ausgelösten ME/CFS-Erkrankungen stellt eine traurige Parallele dar. [11]

Um dies nicht zu einem langfristigen Dauerproblem mit massiven Auswirkungen auf die Bevölkerungsgesundheit und die Volkswirtschaft werden zu lassen, gäbe es einen effektiven Hebel: Als Folge von Cholera- und Polio-Epidemien und Umweltkatastrophen sind Kläranlagen, Wasseranalysen und Schwimmbadchlorierungen längst Pflicht. Noch behandeln wir Luft so, wie vor 150 Jahren auch das Trinkwasser behandelt wurde: alles rein, wird schon gut gehen. Belgien ist europäischer Vorreiter darin, auch für die Innenraumluft effektive Hygienevorschriften zu etablieren. [12] Auch in Deutschland brauchen wir ein Recht auf saubere Luft in Innenräumen. Das, was in Davos Standard war, muss auch bei uns überall üblich werden,“

ergänzt Oliver Ding von der AG Gesundheit + Pflege.

Quellen:
[1] https://www3.weforum.org/docs/AM23_Health_and_Safety_Measures.pdf
[2] Roland Jäger dokumentiert täglich die erwartete Fallzahl des RKI und die tatsächliche Abweichung davon, u.a. am 27.1.2023: https://twitter.com/RolandJger4/status/1618885517529190401
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Corona-Last-weiter-hoch-Abwassermonitoring-in-Berlin,audio1292874.html, Aktuelle Werte zum Abwassermonitoring sind im tagesaktuellen Dashboard des RKI zu finden: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html
[4] https://www.tagesspiegel.de/wissen/christian-drosten-im-interview-die-notsituation-in-den-kliniken-wird-qualend-lange-dauern-weil-so-viele-erreger-zirkulieren-9071788.html (leider Paywall)
[5] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/corona-lauterbach-maskenpflicht-bahn-fernverkehr-101.html
[6] https://www.morgenpost.de/politik/article237336971/maskenpflicht-lauterbach-corona-regeln-buschmann.html
[7] https://www.schulministerium.nrw/25012023-schulbetrieb-nach-auslaufen-der-corona-verordnungen
[8] https://www.infranken.de/lk/erlangenhoechstadt/uni-klinikum-erlangen-corona-infektion-bei-jungen-patienten-studie-zeigt-erschreckende-spaetfolgen-art-5558200
[9] https://taz.de/Uebersterblichkeit-in-Deutschland/!5909707/
[10] https://taz.de/Weniger-Corona–und-Grippefaelle/!5911613/
[11] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7850177/
[12] In https://twitter.com/leseerlaubnis/status/1608529505991147521 ff. wird die Entwicklung seit dem Beschluss vom 12.7.2022 zur Verbesserung der Raumluftqualität an geschlossenen Orten, die öffentlich zugänglich sind, dargestellt, Originaltext des Gesetzesentwurfs: https://www.dekamer.be/FLWB/PDF/55/2820/55K2820001.pdf