#Geko13 Wolf-Dietrich Trenner stellt die Arbeit des GBA vor. | CC BY 3.0 Markus Wetzler
An diesem Wochenende fand der erste Gesundheitskongress der Piraten im Essener Unperfekthaus statt. In einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen legten die Piraten den Grundstein dafür, das in Bochum beschlossene Grundsatzprogramm in ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 weiter zu entwickeln.
Vortrag 1: Der Gemeinsame Bundesausschuss
Wolf-Dietrich Trenner, Patientenvertreter im Unterausschuss Qualitätssicherung des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), eröffnete den Reigen der Vorträge.
In seinem Vortrag beleuchtete er die Arbeit des GBA. Besonderes Augenmerk lag hier auf der alltäglichen Arbeit, den Prozessen der Entscheidungsfindung sowie ihren Beteiligten und der Bedeutung dieses Ausschusses in der Gesellschaft. Insbesondere beschäftigt sich der GBA mit der Konkretisierung des Leistungskataloges in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Rechtsgrundlagen sind hierfür:
- § 2 Abs. 1 Satz 3. SGB V: “Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.”
- § 12 Abs. S.1 SGBV: “Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.”
- § 70 SGB V (1) : “Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.”
- § 70 SGB V (2): “Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.”
Landesausschüsse können hierzu unterstützend Empfehlungen abgeben, die allerdings nicht verbindlich sind. Wolf-Dietrich Trenner würde es begrüßen, wenn die Landesausschüsse, die auch die Patienten an ihrer Entscheidungsfindung beteiligen können, verbindliche Regelungen treffen könnten und forderte dazu auf, dass sich eine mögliche Piratenfraktion im Bundestag hierfür einsetzen möge.
Besetzung der Ausschüsse:
Der GBA besteht aus einem Vertreter von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei Vertretern von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Hierbei wähnen sich die Vertreter der Krankenkassen als Patientenvertreter, Ärztekammern und der Deutsche Pflegerat werden lediglich zu Ergebnissen der Beschlüsse angehört (häufig aber nicht zu Beratungen hinzugezogen), der Bundesdatenschutzbeauftragte (BDSB) kann zu datenschutzrelevanten Fragen ebenfalls angehört, muss aber nicht hinzugezogen werden. Trenner fordert, dass der BDSB zu entsprechenden Beratungen hinzugezogen und mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden sollte.
Öffentlichkeit:
Trenner regte auch dazu an, die Sitzungen der Unterausschüsse öffentlich abhalten zu lassen – was bisher gesetzlich nicht vorgesehen ist – und die Protokolle der Sitzungen zu veröffentlichen, um der piratigen Forderung nach Transparenz genüge zu tun. Bisher werden lediglich die Sitzungen des GBA öffentlich abgehalten.
Bürgerbeteiligung:
Patientenvertreter können Anträge an den BGA stellen. Dieser entscheidet dann, in welchem Unterausschuss oder in welcher AG der jeweilige Antrag beraten wird. Die Patientenbeteiligung könnte also in etwa analog zur Bürgerbeteiligung (in Form von Bürgeranträgen) in den kommunalen Parlamenten eingeordnet werden.
Entscheidungsfindung:
Der bürokratische Aufwand und die Entscheidungsprozesse im GBA – Grundlage ist eine über 300 Seiten starke Geschäftsordnung – können mitunter jahrelang dauern. Flexible und schnelle Reaktionen auf aktuelle Problemstellungen sind, aufgrund der Besetzung und somit entsprechender egoistischen Interessen der Teilnehmer, nahezu unmöglich. Trenner schlägt vor, einen vierten unabhängigen Entscheidungsträger aus der Patientenvertretung zu benennen und die Transparenz des GBA und seiner Unterausschüsse und Arbeitsgemeinschaften schrittweise zu erhöhen.
Vortrag 2: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Professor Jürgen Windeler | CC BY 3.0 Markus Wetzler
Im zweiten Vortrag des Tages stellte Professor Jürgen Windeler das IQWiG – gemäß § 139a-c SGB V ein „fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ – und seine Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen vor. Das Leitbild des IQWiG, so Windeler, der Leiter des Institutes ist, beschreibt, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht und Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung bereitgestellt werden sollen. Für die Auswahl und Bewertung der Studien nutzt das IQWiG die Methodik der evidenzbasierten Medizin.
Im Regelfall beauftragt der (oben genannte) GBA – in höchstens 5 % der Fälle auch das Bundesministerium für Gesundheit – das IQWiG mit diesen Studien.Ergebnisse hat das IQWiG an den GBA weiterzuleiten und auch für die Allgemeinheit zu veröffentlichen, Der GBA hat diese Ergebnisse bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Das IQWiG beschäftigt sich im Rahmen seiner Aufgaben auch mit Präventionsmaßnahmen, allerdings nur im Sinne von Sekundärprävention, nicht aber mit Primärpräventionsmaßnahmen, also um Maßnahmen, die Erkrankungen vermeiden sollen. Für Primärpävention gibt es allerdings kein Institut, welche vom Gesetzgeber mit dieser – aus piratiger Sicht wichtigen – Aufgabe betraut wird. Das Budget des IQWiG beläuft sich zur Zeit lediglich auf jährlich 12 Millionen Euro. Alternative Heilmethoden würden bei entsprechender Beauftragung durch den GBA auch diese medizischen Maßnahmen untersuchen, erhält von diesem allerdings keine diesbezüglichen Aufträge. Die Kosten/Nutzen-Analyse über den Einsatz von Arzneimitteln spielt – trotz eines vorhandenen, gesetzlichen Auftrages – eine nur sehr untergeordnete Rolle.
Dies alles warf die Frage auf, ob diese finanziellen Ressourcen und die gesetzlichen Aufgabenstellungen des IQWiG ausreichen, um aus einem “Krankheitssystem ein Gesundheitssystem” zu machen. Windeler stellte fest, dass es durchaus Erkenntnisdefizite gibt, das aber Ideen und Konzepte existieren oder erarbeitet werden, um diese Defizite zukünftig auszuräumen.
Fraktionengespräch am späten Nachmittag
Fraktionengespräch | CC BY 3.0 Markus Wetzler
Lukas Lamla und Olaf Wegner (beide NRW-MdL) und Simon Kowalewski (Abgeordneter der Berliner Piraten) berichteten am späten Nachmittag von ihrer Arbeit in den Parlamenten. Thomas Weijers (NRW-Listenkandidat für die Bundestagswahl) moderierte die Runde. Auffällig an den Beiträgen der Abgeordneten Lamla und Kowalewski war, das jegliche Anträge der Piratenfraktionen von den Regierungskoalitionen offensichtlich häufig nur deshalb abgelehnt wurden, weil sie nicht von den Regierungskoalitionen selbst kamen und das Thema Gesundheit in Berlin anscheinend stiefmütterlich (zu wenig Beachtung der Thematik und zu wenig bereitgestellte Ressourcen) behandelt wird.
Kowalewski und Lamla äußersten sich erfreut über das mittlerweile beschlossene gesundheitspolitische Grundsatzprogramm der Piraten. Auf Podiumsdiskussionen und in Interviews können sie nun besser im Namen der Partei zu gesundheitspolitischen Fragen Stellung nehmen, was vor dem Bundesparteitag in Bochum noch nicht möglich war.
Olaf Wegner betonte, dass wichtige, gesundheitspolitische Problemstellungen im Bund entschieden und im Land häufig nur angestoßen werden. Lamlas Ziel ist es, die Fraktionen und die Basis zu vernetzen, um die komplexen Themen, die beackert werden müssen, schneller abarbeiten zu können. Zur Zeit ist er dabei, seine Arbeitsergebnisse aufzubereiten, mit der Absicht, diese in die Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise der Piratenpartei zu geben, damit diese weitere programmatische Inhalte ausarbeiten können.
Insgesamt hat dieser erste Tag viel Futter für die Gesundheitspiraten und deren programmatische Arbeit in den nächsten Wochen geliefert.
(zum 2. Tag)
#Geko13 Wolf-Dietrich Trenner stellt die Arbeit des GBA vor. | CC BY 3.0 Markus Wetzler
An diesem Wochenende fand der erste Gesundheitskongress der Piraten im Essener Unperfekthaus statt. In einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen legten die Piraten den Grundstein dafür, das in Bochum beschlossene Grundsatzprogramm in ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2013 weiter zu entwickeln.
Vortrag 1: Der Gemeinsame Bundesausschuss
Wolf-Dietrich Trenner, Patientenvertreter im Unterausschuss Qualitätssicherung des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), eröffnete den Reigen der Vorträge.
In seinem Vortrag beleuchtete er die Arbeit des GBA. Besonderes Augenmerk lag hier auf der alltäglichen Arbeit, den Prozessen der Entscheidungsfindung sowie ihren Beteiligten und der Bedeutung dieses Ausschusses in der Gesellschaft. Insbesondere beschäftigt sich der GBA mit der Konkretisierung des Leistungskataloges in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Rechtsgrundlagen sind hierfür:
Landesausschüsse können hierzu unterstützend Empfehlungen abgeben, die allerdings nicht verbindlich sind. Wolf-Dietrich Trenner würde es begrüßen, wenn die Landesausschüsse, die auch die Patienten an ihrer Entscheidungsfindung beteiligen können, verbindliche Regelungen treffen könnten und forderte dazu auf, dass sich eine mögliche Piratenfraktion im Bundestag hierfür einsetzen möge.
Besetzung der Ausschüsse:
Der GBA besteht aus einem Vertreter von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei Vertretern von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Hierbei wähnen sich die Vertreter der Krankenkassen als Patientenvertreter, Ärztekammern und der Deutsche Pflegerat werden lediglich zu Ergebnissen der Beschlüsse angehört (häufig aber nicht zu Beratungen hinzugezogen), der Bundesdatenschutzbeauftragte (BDSB) kann zu datenschutzrelevanten Fragen ebenfalls angehört, muss aber nicht hinzugezogen werden. Trenner fordert, dass der BDSB zu entsprechenden Beratungen hinzugezogen und mit entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden sollte.
Öffentlichkeit:
Trenner regte auch dazu an, die Sitzungen der Unterausschüsse öffentlich abhalten zu lassen – was bisher gesetzlich nicht vorgesehen ist – und die Protokolle der Sitzungen zu veröffentlichen, um der piratigen Forderung nach Transparenz genüge zu tun. Bisher werden lediglich die Sitzungen des GBA öffentlich abgehalten.
Bürgerbeteiligung:
Patientenvertreter können Anträge an den BGA stellen. Dieser entscheidet dann, in welchem Unterausschuss oder in welcher AG der jeweilige Antrag beraten wird. Die Patientenbeteiligung könnte also in etwa analog zur Bürgerbeteiligung (in Form von Bürgeranträgen) in den kommunalen Parlamenten eingeordnet werden.
Entscheidungsfindung:
Der bürokratische Aufwand und die Entscheidungsprozesse im GBA – Grundlage ist eine über 300 Seiten starke Geschäftsordnung – können mitunter jahrelang dauern. Flexible und schnelle Reaktionen auf aktuelle Problemstellungen sind, aufgrund der Besetzung und somit entsprechender egoistischen Interessen der Teilnehmer, nahezu unmöglich. Trenner schlägt vor, einen vierten unabhängigen Entscheidungsträger aus der Patientenvertretung zu benennen und die Transparenz des GBA und seiner Unterausschüsse und Arbeitsgemeinschaften schrittweise zu erhöhen.
Vortrag 2: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Professor Jürgen Windeler | CC BY 3.0 Markus Wetzler
Im zweiten Vortrag des Tages stellte Professor Jürgen Windeler das IQWiG – gemäß § 139a-c SGB V ein „fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ – und seine Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen vor. Das Leitbild des IQWiG, so Windeler, der Leiter des Institutes ist, beschreibt, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht und Informationen zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung bereitgestellt werden sollen. Für die Auswahl und Bewertung der Studien nutzt das IQWiG die Methodik der evidenzbasierten Medizin.
Im Regelfall beauftragt der (oben genannte) GBA – in höchstens 5 % der Fälle auch das Bundesministerium für Gesundheit – das IQWiG mit diesen Studien.Ergebnisse hat das IQWiG an den GBA weiterzuleiten und auch für die Allgemeinheit zu veröffentlichen, Der GBA hat diese Ergebnisse bei seinen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Das IQWiG beschäftigt sich im Rahmen seiner Aufgaben auch mit Präventionsmaßnahmen, allerdings nur im Sinne von Sekundärprävention, nicht aber mit Primärpräventionsmaßnahmen, also um Maßnahmen, die Erkrankungen vermeiden sollen. Für Primärpävention gibt es allerdings kein Institut, welche vom Gesetzgeber mit dieser – aus piratiger Sicht wichtigen – Aufgabe betraut wird. Das Budget des IQWiG beläuft sich zur Zeit lediglich auf jährlich 12 Millionen Euro. Alternative Heilmethoden würden bei entsprechender Beauftragung durch den GBA auch diese medizischen Maßnahmen untersuchen, erhält von diesem allerdings keine diesbezüglichen Aufträge. Die Kosten/Nutzen-Analyse über den Einsatz von Arzneimitteln spielt – trotz eines vorhandenen, gesetzlichen Auftrages – eine nur sehr untergeordnete Rolle.
Dies alles warf die Frage auf, ob diese finanziellen Ressourcen und die gesetzlichen Aufgabenstellungen des IQWiG ausreichen, um aus einem “Krankheitssystem ein Gesundheitssystem” zu machen. Windeler stellte fest, dass es durchaus Erkenntnisdefizite gibt, das aber Ideen und Konzepte existieren oder erarbeitet werden, um diese Defizite zukünftig auszuräumen.
Fraktionengespräch am späten Nachmittag
Fraktionengespräch | CC BY 3.0 Markus Wetzler
Lukas Lamla und Olaf Wegner (beide NRW-MdL) und Simon Kowalewski (Abgeordneter der Berliner Piraten) berichteten am späten Nachmittag von ihrer Arbeit in den Parlamenten. Thomas Weijers (NRW-Listenkandidat für die Bundestagswahl) moderierte die Runde. Auffällig an den Beiträgen der Abgeordneten Lamla und Kowalewski war, das jegliche Anträge der Piratenfraktionen von den Regierungskoalitionen offensichtlich häufig nur deshalb abgelehnt wurden, weil sie nicht von den Regierungskoalitionen selbst kamen und das Thema Gesundheit in Berlin anscheinend stiefmütterlich (zu wenig Beachtung der Thematik und zu wenig bereitgestellte Ressourcen) behandelt wird.
Kowalewski und Lamla äußersten sich erfreut über das mittlerweile beschlossene gesundheitspolitische Grundsatzprogramm der Piraten. Auf Podiumsdiskussionen und in Interviews können sie nun besser im Namen der Partei zu gesundheitspolitischen Fragen Stellung nehmen, was vor dem Bundesparteitag in Bochum noch nicht möglich war.
Olaf Wegner betonte, dass wichtige, gesundheitspolitische Problemstellungen im Bund entschieden und im Land häufig nur angestoßen werden. Lamlas Ziel ist es, die Fraktionen und die Basis zu vernetzen, um die komplexen Themen, die beackert werden müssen, schneller abarbeiten zu können. Zur Zeit ist er dabei, seine Arbeitsergebnisse aufzubereiten, mit der Absicht, diese in die Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreise der Piratenpartei zu geben, damit diese weitere programmatische Inhalte ausarbeiten können.
Insgesamt hat dieser erste Tag viel Futter für die Gesundheitspiraten und deren programmatische Arbeit in den nächsten Wochen geliefert.
(zum 2. Tag)